"Der arme Sven", schreibt Sylvia R., eine gute Freundin von B., in ihrer Facebook-Timeline. "Er war immer so fröhlich und hat behauptet, er bräuchte kein Social Media, um mit seinen Freunden zu kommunizieren. Wir haben alle gewusst, dass das nicht stimmen kann. Wie soll denn das gehen?" Viele von Sylvias 489 Facebook-Freunden bestätigten dies umgehend mit "😢", "😭" oder einem Like.
Dabei gab es überhaupt keinen offensichtlichen Grund, warum Sven B. kein Mitglied eines sozialen Netzwerkes war. Seinen Freunden zufolge verfügte er über ein fotogenes Äußeres, ein internetfähiges Smartphone und zwei gesunde Hände, mit denen er seine Timelines sieben Mal am Tag hätte aktualisieren können.
Nun sitzt Sven B. in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik und bekommt starke Medikamente.
Sein behandelnder Arzt sagt: "Ein 22-Jähriger, der nicht bei Facebook oder wenigstens Instagram, Twitter oder Snapchat ist, gilt als stark verhaltensauffällig – oder, wie es der Laie nennt, "verrückt"."
Sven B. darf die Psychiatrie laut Behördenangaben erst wieder verlassen, wenn er sein Fehlverhalten eingesehen hat. Es reicht allerdings nicht, dass der junge Mann einfach nur einen Social-Media-Account anlegt. Er muss mit regelmäßigen Statusupdates, aufdringlichen Freundschaftsanfragen bei Leuten, die er gar nicht kennt, und geteilten Gewinnspiel-Aufrufen beweisen, dass er ihn auch wirklich nutzt.