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"Querlenker": Neue Autofahrer-Bewegung weigert sich, Verkehrsregeln zu beachten

Berlin (dpo) - Weg mit der Straßenverkehrsordnungs-Diktatur! Das ist die zentrale Forderung der neuen "Querlenken"-Bewegung, deren Mitglieder sich weigern, die Regeln des Straßenverkehrs zu beachten. Am Samstag wollen sie erstmals mit einem Autokorso in Berlin demonstrieren. Die Behörden befürchten zahlreiche Verkehrsunfälle.

In Städten wie Stuttgart, Frankfurt oder Dresden konnte man bereits einzelne Demonstrationen der Querlenker sehen. In Stuttgart etwa wurde vergangenes Wochenende dazu aufgerufen, an Stopp-Schildern nicht mehr anzuhalten und Ampeln abzusägen.

"Wir sind freie Autofahrer! Wir sind das Volk! Wir lassen uns nicht sagen, wann wir wo anzuhalten oder zu blinken haben!", rief ein Redner unter großem Beifall. "Wisst ihr, wo es auch eine Straßenverkehrs-Ordnung gab? Im dritten Reich! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Faschismus!"

Andere Redner zweifelten an, dass es ohne Regeln im Straßenverkehr tatsächlich mehr Unfälle und Verkehrstote geben würde, wie von nahezu allen Verkehrswissenschaftlern behauptet.

"Das erste Problem ist doch schon mal, dass alle Unfälle gezählt werden. Dabei ist noch gar nicht gesagt, dass jemand, der einen Unfall hat, auch direkt schwer verletzt wird oder stirbt", erklärte eine Frau, die sich als alternative KfZ-Mechanikerin ausgab. "Und die nächste Frage ist ja: Sind Verkehrstote an oder mit Verkehrsunfällen gestorben? Was ist, wenn jemand im Auto einen Herzinfarkt hat und dann in einen Baum rast? Sehen Sie?"

Sind Unfälle wirklich so gefährlich wie in den Medien dargestellt?

Weitere Querlenker gaben zu bedenken, dass ohnehin nur rund 3000 Menschen jährlich auf deutschen Straßen sterben. "Das sind deutlich weniger als alle Menschen, die im Haushalt tödlich verunglücken, und da gibt's auch keine Regeln!"

Außerdem seien viele Leute, die sterben, selbst schuld. "Die müssen halt besser auf sich aufpassen, wenn sie ins Auto steigen", so ein weiterer Redner. "Das sollte jeder eigenverantwortlich für sich entscheiden können, ob er sich an die Verkehrsregeln hält oder nicht." Schwächere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer oder Fußgänger sollten sich nach Ansicht der Querlenker besser selbst schützen, indem sie sich ganz aus dem Straßenverkehr zurückziehen.

Einige Querlenker wie etwa der alternative Verkehrsexperte Herbert Schreiter leugnen die Gefahren des Straßenverkehrs völlig. "Ich bezweifle, dass es überhaupt Verkehrstote gibt. Das ist doch eine Erfindung der Lügenpresse, um uns Angst zu machen. Ich habe noch nie einen Verkehrstoten gesehen. Und ich fahre schon seit Jahrzehnten Auto!"

Zahlreiche Transparente und Banner machten deutlich, wie groß der Unmut unter den Querlenkern ist. Neben "Andi Scheuer Verkehrsdiktator"-Plakaten waren auch etliche gelbe Sterne mit dem Wort "Verkehrssünder" als Aufnäher zu sehen. Weitere Parolen lauten "Das wird man ja wohl noch hupen dürfen", "Angela Merkel raus aus meinem Auto" oder "Freie Fahrt für freie Menschen".

An einem Stand wurden zudem Atteste verteilt, die jeden Querlenker angeblich aus medizinischen Gründen von der Straßenverkehrsordnung befreien und bei Verkehrskontrollen zum Einsatz kommen sollen.

Derzeit befindet sich die Bewegung im Aufschwung – für die groß angekündigte Demo am Wochenende in Berlin erwarten die Querlenker nach eigenen Angaben fünf Millionen Menschen. Und damit soll noch lange nicht Schluss sein.

Inzwischen haben zwei prominente Querlenker sogar eine eigene Bustour durch Deutschland gestartet, um die Bevölkerung über die angebliche Verkehrsdiktatur aufzuklären. Weit kamen sie jedoch nicht, da der Bus nach 5 Kilometern an einer Unterführung hängenblieb. Der Fahrer - selbst überzeugter Querlenker - hatte das Schild mit der zulässigen Durchfahrtshöhe absichtlich missachtet.

dan, ssi; Fotos: Shutterstock; Erstveröffentlichung: 17.11.20
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