Santagio de Compostela (dpo) - Glaube und Cleverness müssen sich nicht ausschließen: Bei seiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg geht Johannes Bentele aus Stuttgart die Strecke von mehr als 1800 Kilometern nicht zu Fuß. Stattdessen ist der 37-Jährige bequem mit seinem VW Golf unterwegs.
"Ich wollte schon immer mal den Jakobsweg absolvieren", berichtet Bentele, während er in seinem vollklimatisierten Wagen einen spanischen Feldweg nahe Ponferrada entlangfährt. "Dieses spirituelle Erlebnis, die Introspektion, das Meditative, das hat mich schon immer magisch angezogen."
Eine Recherche auf Google Maps ergab jedoch, dass ein Fußmarsch von seinem Wohnort zur Kathedrale von Santiago de Compostela bei 6 Stunden täglichen Wanderns rund 70 Tage dauern würde. "Ich habe in diesem Jahr aber nur noch 5 Urlaubstage übrig gehabt", erklärt der Vertriebsangestellte. "Außerdem habe ich manchmal ein bisschen Rücken und will nichts riskieren."
Deshalb habe er sich dafür entschieden, die Reise mit dem Auto anzutreten. "Ich bin doch nicht bescheuert", so der Pilger.
In weniger als drei Tagen fuhr Bentele daher von Stuttgart-Botnang bis nach Nordspanien und ließ sich dabei alle Etappenpunkte in seinem Pilgerpass abstempeln.
"Manchmal ist es ein bisschen schwierig, mit dem Auto durchzukommen, wenn es mal recht viel über Feldwege oder durch den Wald geht oder besonders viele Wanderer vor einem marschieren", berichtet er. "Aber mit ein bisschen gutem Willen und im Zweifelsfall etwas Gehupe kriegt man das schon irgendwie hin."
Er habe vieles erlebt, was ihn gestärkt und ihm Kraft gegeben habe, erzählt Bentele lächelnd. "Aber mein Glaube wurde auch auf die Probe gestellt in manch dunkler Stunde. Zum Beispiel gestern, als der Burger King, bei dem ich anhalten wollte, einfach zu hatte, obwohl mein Navi etwas anderes behauptete."
Auch ein Stau hinter Lyon ließ ihn mit seinem Glauben hadern: "Ich schrie Gott voller Wut und Verzweiflung an: 'Warum lässt du mich hier rumstehen?? Warum immer ich?' Aber nach 5 Minuten ging es zum Glück weiter."
Inzwischen trennen ihn nur noch rund 200 Kilometer und etwas mehr als zwei Stunden vom Ziel seiner Pilgerreise. Deren Ende soll für ihn jedoch nur der Anfang sein. "Ich habe jetzt Blut geleckt", erklärt er. "Nächstes Jahr nehme ich mir den Mount Everest Base Camp Trek vor. Mit dem Helikopter natürlich. Ich bin doch nicht blöd."
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